Im vorangegangenenBlogpost hatten wir bereits über die Phytoöstrogene – insbesondere die Lignane – geschrieben. Doch was sind Phytoöstrogene genau? Sind es auch Östrogene? Muss man aufpassen, wenn man sie isst? Und überhaupt … wir wollten das mal ganz genau wissen.
FÜR GANZ EILIGE
- Phytoöstrogene sind pflanzliche Östrogene
- sie haben beim Menschen östrogene und antiöstrogene Wirkung
- sie haben in experimentellen Studien antikanzerogene Effekte zeigen können
- wichtigste Quellen: Soja, Leinsamen, Sesam
PHYTOÖSTROGENE SIND PFLANZLICHE ÖSTROGENE
Östrogene gelten evolutionär gesehen als die ältesten Hormone, man findet sie sowohl im Pflanzen als auch im Tierreich. Sie wirken über Artgrenzen hinweg so auch bei uns Menschen. Und Phytoöstrogene sind einfach pflanzliche Östrogene. Sie zählen zu den sogenanntenSekundären Pflanzenstoffen. Diesen werden verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. So können Sekundäre Pflanzenstoffe antioxidativ, antientzündlich und antikanzerogen wirken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung – DGE – spricht aber anders als bei Vitaminen und Mineralstoffen keine Empfehlungen für sie aus. Vielleicht haben wir deshalb bisher auch so wenig über beispielsweise Phytoöstrogene gehört?
Die Phytoöstrogene umfassen mehrere Substanzgruppen, zu ihnen zählen zum Beispiel die in Soja vorkommenden Isoflavone, die in Leinsamen enthaltenen Lignane und die in manchen Sprossen enthaltenen Coumestane.
Von der Struktur und der Funktion her ähneln Phytoöstrogene unserem 17-β-Östradiol, einer der wirksamen Formen des körpereigenen Östrogens. Und so können Phytoöstrogene auch an genau den für Östrogen vorgesehenen Rezeptoren unserer Zellen andocken. Sie konkurrieren dann mit dem Östrogen um den Platz am Rezeptor und können so die Auswirkung des leistungsstärkeren menschlichen Östrogens blockieren. Wenn das passiert, dann können sie – und das ist spannend – sowohl östrogen als auch antiöstrogen wirken. Sie können zum Beispiel in den Gewebearten, wo sich hohe Östrogenkonzentrationen negativ auswirken können wie im Brustgewebe, Östrogen dämpfend wirken und in anderen Fällen wie bei Hitzewallungen können sie sich proöstrogen auswirken. Ihre Wirkung auf den Östrogenrezeptor ist somit gewebe- bzw. zellspezifisch.
Die Wirkung ist aber deutlich abgeschwächter als beim 17-β-Östradiol, nämlich um den Faktor 100 bis 10.000. Nun gibt es auch noch zwei Arten von Östrogenrezeptoren: Alpha und Beta. Das körpereigene Östrogen bevorzugt dieAlpharezeptoren, während Phytoöstrogene eine Affinität für dieBetarezeptoren haben. Und das hat eine schützende Wirkung. Aber mehr dazu weiter unten.
WAS MACHT SIE NUN SO BESONDERS?
Phytoöstrogene sind wie eine kleine, große Wundertüte: je mehr man sich damit beschäftigt, umso gesünder werden sie.
Phytoöstrogenen werden antientzündliche, antimikrobielle, antioxidative und antikanzerogene Wirkungen zugesprochen. Sie können außerdem insbesondere Frauen helfen, hormonelle Imbalancen auszugleichen und zyklusbedingte Beschwerden oder Begleiterscheinungen zu lindern:
- Die regelmäßige Einnahme von Leinsamen konnte in einer Studie zeigen, dass Frauen verlässlicher Eisprünge hatten. Die Luteale Phase hatte sich um einen Tag verlängert. Es gab unter den Probandinnen weniger Anovulationen als im Vergleichszeitraum.
- Außerdem verlängerte das regelmäßige Essen von ca. einem Esslöffel gemahlener Leinsamen pro Tag den Zyklus dieser Frauen um ca. einen Tag. Das bedeutet auf die ganze fruchtbare Phase gerechnet: insgesamt weniger Monatsblutungen im Leben einer Frau6.
- In einer Studie wurde gezeigt, dass Leinsamen bei zyklusbedingten, stark schmerzenden Brüsten hilft, die Schmerzen zu lindern.
- Selbst kognitive Leistungen von postmenopausalen Frauen verbesserten sich unter der Einnahme von lignanreichen Lebensmitteln5.
- Die mit der Aufnahme von Phytoöstrogenen außerdem verbundene erhöhte Aufnahme von Ballaststoffen führt dazu, dass Östrogen im Dickdarm gebunden und nicht wieder rückresorbiert wird und das ist gut so.
Grundsätzlich wird vermutet und geforscht, inwiefern Phytoöstrogene schützende Wirkungen hinsichtlich Krebs-, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Knochendichte und bei klimakterischen Beschwerden haben. Diese Zivilisationskrankheiten treten in asiatischen Ländern wie China oder Japan im Vergleich zu westlichen Industrieländern seltener auf. Das Brustkrebsrisiko von Asiatinnen ist bis zu fünf mal geringer als das von Frauen westlicher Industrieländer. Man vermutet, dass die Ernährung eine große Rolle spielt, insbesondere der hohe Gehalt an Phytoöstrogenen in den viel verzehrten Sojaprodukten. Gleichwohl wird sicher auch eine Rolle spielen, dass im asiatischen Raum deutlich mehr Grüner Tee, mehr Pilze, mehr Fisch, mehr fermentierte Produkte, weniger Fleisch und weniger Milchprodukte verzehrt werden.
Aber noch einmal zurück zum Brustkrebs:
Eine aus Schweden stammende Studie ergab, dass es einen statistisch signifikanten umgekehrten Zusammenhang zwischen dem Brustkrebsrisiko und dem Lignankonsum bei Brustkrebspatientinnen nach der Menopause gibt. In weiteren epidemiologischen Studien wurde bei Brustkrebspatientinnen im Vergleich zu gesunden Frauen eine niedrigere Phytoöstrogen-Konzentration im Brustgewebe beobachtet. Die Tatsache, dass die Phytoöstrogene eine höhere Affinität zum Betarezeptor haben, macht sie unter anderem so potent in der Krebsprävention. Der aktivierte Betarezeptor hemmt z.B. Zellwachstum. Das macht den Betarezeptor zu einem starken Tumorsuppressor.
In experimentellen Studien haben Phytoöstrogene konkret gezeigt, dass sie die Östrogensynthese und den Stoffwechsel von Östrogenen hemmen4. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sie die Gefäßbildung von Tumoren unterbinden (antiangiogene Wirkung), und dass sie anti metastatische und epigenetische Wirkungen ausüben. Phytoöstrogene konnten zudem die Resistenz gegenüber in der Chemotherapie eingesetzten Arzneimitteln umkehren. Das klingt alles ganz wunderbar und stimmt hoffnungsfroh. Jedoch muss ich betonen, dass diese Erkenntnisse alle aus der Grundlagenforschung stammen, wo in In-Vitro-Experimenten das Potential von Phytoöstrogenen gezeigt werden konnte. Jetzt gilt es, dass diese Grundlagen in klinische Forschung übersetzt werden, um die Ergebnisse weiter zu untermauern und auch, um definieren zu können, welche Dosis an Phytoöstrogenen effektiv und dabei sicher ist.
QUELLEN
- DGE, Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit,Link
- Greger, Michael, and Gene Stone.How not to die: discover the foods scientifically proven to prevent and reverse disease. Pan Macmillan, 2016.
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